Samstag, November 23, 2024
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Bernhard Koller: Aspekte einer gerechten Vermögensbesteuerung

„Wie kann eine gerechte Vermögensbesteuerung in Österreich und der Europäischen Union aussehen?“ – diese Frage stand im Mittelpunkt unseres Vortrags Anfang Juni von AK-Experten Bernhard Koller, einem langjährigen Begleiter der WIPOL Steiermark.

Alles beim Alten bei der Vermögensbesteuerung?

„Im Grund hat sich nicht viel getan“ resümiert Koller gleich zu Beginn des Vortrags sichtlich ernüchtert. Gesetzliche Änderungen bei der Vermögensbesteuerung hat es in den letzten Jahren bzw Jahrzehnten tatsächlich wenig bis keine gegeben. Aktuell sei das Thema aber sehr wohl – derzeit insbesondere aufgrund der anhaltenden Teuerung und der damit einhergehenden zunehmenden Armutsgefährdung in der Bevölkerung. Ebenso in Corona-Zeiten gab es Initiativen, den Pflege- und Gesundheitsbereich durch Vermögenssteuer höher zu entlohnen. Gebracht haben die Impulse etwa von Arbeiterkammer und ÖGB bisher jedoch wenig – es scheitert am politischen Willen, so Koller.

Die Ausgangslage in Österreich ist, dass insbesondere Arbeit und Konsum recht hoch besteuert werden. Vermögen hingegen wird geschont. Der Anteil vermögensbezogener Steuern an den gesamten staatlichen Steuereinnahmen beträgt hierzulande laut einer OECD-Studie aus dem Jahr 2021 lediglich 1,4 %, was in einem internationalen Vergleich sehr wenig darstellt. Dabei hat sich die Zahl der Millionärshaushalte in Österreich in den letzten 10 Jahren verdoppelt: 155 000 derartige Haushalte gibt es, die mehr als die Hälfte des gesamten Vermögens besitzen. Gegen Erbschaftssteuern, die eine Sonderstellung unter den Vermögenssteuern darstellen, herrsche in Österreich eine regelrechte „Phobie“, meint AK-Experte Bernhard Koller. Dabei zählt de facto jede zweite Person zu den ärmsten 3 % des Landes und wäre somit ohnehin von den meisten Erbschaftssteuer-Modellen ausgeschlossen.

https://wien.arbeiterkammer.at/interessenvertretung/steuergerechtigkeit/Fakten_und_Mythen_zur_Vermoegenssteuer.html

Mythen und Fakten zur Vermögenssteuer

Weder glaubt Koller daran, dass die Vollzugskosten zu hoch sein würden, noch daran, dass eine Einführung einer Vermögenssteuer eine Kapitalflucht auslösen würde. Schließlich treffe so eine Vermögenssteuer unbeschränkt steuerpflichtige Personen mit ihrem Welteinkommen, also mit ihren gesamten Einkünften unabhängig davon, wo diese erzielt werden. Der Anreiz einer Wohnsitzverlegung sei bei einem moderatem Steuersatz gering, denn der Staat Österreich bietet hohe Standards im Bereich Infrastruktur und Sicherheit sowie eine schöne Landschaft, meint Koller und berichtet gleichzeitig, dass wir umgerechnet auf die Einwohnerzahl eine viel höhere Dichte an Privatstiftungen hätten als andere Länder.

Modelle einer modernen Vermögensbesteuerung

Natürlich wäre es möglich, jene allgemeine Vermögenssteuer, die in ihrer Ausgestaltung bis 1994 in Österreich bestanden hat, in ähnlicher Form wieder einzuführen. Neue Modelle sehen aber insbesondere einen höheren Freibetrag (1 000 000 statt 40 000 Euro) und einen progressiven Verlauf vor. Zu rechnen wäre je nach untersuchtem Tarif und einzelnen Annahmen zum Ausweichverhalten mit einem zusätzlichen jährlichem Steueraufkommen von rund 5 Milliarden Euro. International ist ebenfalls ein leichter Trend hin zu mehr Vermögensbesteuerung zu erkennen, meint Koller. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Situation auf nationaler und europäischer Ebene in den nächsten Jahren entwickelt.

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