Ein Abend mit Dr. Bernhard Koller: Vermögensbesteuerung in Österreich – Ein brandaktuelles Thema
Ein Vortrag zur rechten Zeit
Am Montag, dem 19. Mai 2025, versammelte sich unser Jahrgang erneut zu einem hochinteressanten Vortrag – dieses Mal mit Dr. Bernhard Koller, der zum Thema „Vermögensbesteuerung in Österreich“ sprach. Das Thema könnte kaum aktueller sein: Österreichs neues Budget ist frisch präsentiert, das Haushaltsdefizit klafft – und bemerkenswert ist, dass der dafür verantwortliche Finanzminister Markus Marterbauer erst im vergangenen Jahr bei uns zu Gast war.
Gerade deshalb fiel ein entscheidender Punkt besonders auf: Im neuen Budget fehlen vermögensbezogene Steuern nahezu vollständig – und dass trotz der offensichtlichen Finanzierungslücken und der bestehenden Ungleichheit im Land. Damit war der Übergang zum ersten Themenschwerpunkt von Dr. Koller bereits geebnet.
Wie ungleich ist Österreich? – Ein Blick auf Einkommen und Vermögen
Dr. Koller begann seinen Vortrag mit einem eindrücklichen Überblick über die Vermögensverteilung in Österreich – oder besser gesagt: über deren dramatische Schieflage. Bereits die Einkommensverteilung zeigt ein deutliches Ungleichgewicht: So verdienen ATX-Manager im Schnitt das 62-Fache des Medianeinkommens in Österreich.
Doch wer hier bereits von Ungleichheit spricht, wird von der Vermögensverteilung regelrecht erschüttert: Die reichsten Österreicher:innen besitzen ein über 20.000-fach höheres Vermögen als die Durchschnittsbürger:innen. Eine derart extreme Schere zwischen Arm und Reich ist selbst im internationalen Vergleich auffällig.
Vermögenssteuern: Österreich ein Nachzügler
Trotz dieser Ungleichheit ist Österreich beim Thema Vermögensbesteuerung weltweit eines der Schlusslichter. Gerade einmal rund 1 % des Steueraufkommens stammt aus vermögensbezogenen Steuern – während andere OECD-Staaten wie etwa die USA bis zu 10 % ihres Steueraufkommens durch solche Steuern erzielen.
Dr. Koller wies darauf hin, dass der Begriff „Vermögenssteuer“ meist missverständlich verwendet wird: In der öffentlichen Diskussion wird oft nur die klassische Vermögenssteuer verstanden – also eine Abgabe auf das Gesamtvermögen – doch tatsächlich umfasst der Begriff eine Vielzahl von Instrumenten.
Welche Vermögenssteuern gibt es – und welche nicht (mehr)?
Österreich hatte in der Vergangenheit mehrere Formen der Vermögensbesteuerung, von denen heute jedoch nur noch wenige eine relevante Rolle spielen:
- Die Grundsteuer existiert zwar noch, leidet jedoch massiv unter der Veralterung ihrer Bemessungsgrundlage – viele Werte stammen noch aus den 1950er Jahren.
- Die Erbschaftssteuer wurde 2008 abgeschafft. Hauptkritikpunkt war die Bewertung der Erbschaften, doch laut Dr. Koller wäre dieses Problem heute mit marktgerechten Verkehrswerten problemlos lösbar.
- Kapitalertragssteuern – also Steuern auf den Zuwachs von Vermögenswerten – existieren nach wie vor und sind mit einem Satz von 25 % im internationalen Vergleich durchaus solide positioniert.
Die Rückkehr der klassischen Vermögenssteuer?
Im weiteren Verlauf des Vortrags widmete sich Dr. Koller der vielleicht umstrittensten Form: der klassischen Vermögenssteuer, bei der der Bestand an Vermögen jährlich mit einem gewissen Prozentsatz belastet wird.
Diskutiert wurden verschiedene Modelle:
- Der Vorschlag der SPÖ, der Vermögen ab einer Million Euro betrifft und unter anderem vorsieht, dass vererbte Immobilien an Kinder verschont bleiben.
- Der sogenannte „1-2-3-4“-Vorschlag, der abgestufte Steuersätze vorsieht – je nach Höhe des Vermögens.
Beide Konzepte gehen von einem möglichen Steueraufkommen von 1,5 bis 8 Milliarden Euro jährlich aus – je nachdem, wie stark Steuervermeidung oder Kapitalabwanderung dadurch ausgelöst würden. Diese Risiken gelten als zentrale Herausforderungen jeder ernst gemeinten Vermögensbesteuerung.
Ein weiterer Streitpunkt: die Behandlung von Betriebsvermögen. Hier besteht die Sorge, dass Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten könnten, etwa wenn bei einem Erbfall plötzlich große Summen zu versteuern sind. Eine faire Lösung müsse also wirtschaftliche Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit in Einklang bringen.
Fazit: Eine Frage der Gerechtigkeit und der Verantwortung
Dr. Kollers Vortrag machte deutlich: Österreich hätte immenses Potenzial, durch eine gezielte und faire Vermögensbesteuerung nicht nur Einnahmen zu erzielen, sondern auch gesellschaftliche Ungleichheit abzubauen. Im internationalen Vergleich gibt es viel Nachholbedarf – und angesichts der kritischen Budgetlage stellt sich immer dringender die Frage: Warum nicht mehr auf Vermögenssteuern setzen?
Der Abend endete mit regem Austausch und vielen offenen Fragen. Doch eines war klar: Das Thema Vermögensbesteuerung wird uns – ökonomisch wie gesellschaftlich – noch lange beschäftigen.