Donnerstag, November 21, 2024
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Bernard Tröster: Investitionspolitik Chinas in Afrika

Wenige Mausklicke und schon waren wir mitten in unserer nächsten WIPOL-Veranstaltung – dieses Mal ausnahmsweise ein Online-Vortrag: Bernhard Tröster vom ÖFSE (Österreichische Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung) gab uns eine Einführung in das Thema „Investitionspolitik Chinas in Afrika“.

Wieviel Prozent der Exporte aus Subsahara-Afrika gingen vorletztes Jahr nach China? Diese Frage stelle uns Bernhard Tröster gleich zu Beginn und nutze dabei die Vorzüge des Online-Formats: Auf einer interaktiven Tafel konnten die Teilnehmer:innen Prozent-Schätzungen hierzu abgeben. Aufgelöst wurde, dass 2021 rund 23 % der Exporte aus der Subsahara-Region nach China gingen. Wenige Jahren zuvor spielte China als Handelspartner für die meisten afrikanischen Länder wenn überhaupt nur eine sehr untergeordnete Rolle. Doch China holt immer weiter auf – vor allem aufgrund der seit 2004 extrem schnell angestiegenen Direktinvestitionen. Viele Expert:innen sehen diese Entwicklung kritisch – nicht zuletzt weil sich das chinesische Modell der Entwicklungsfinanzierung sehr vom konventionellen westlichen Entwicklungsansatz unterscheidet.

Schnell fortschreitender Beziehungsausbau

Bereits seit den 1950er-Jahren verteilt China gewisse Hilfeleistungen an Afrika. Diese Hilfe wird von der chinesischen Regierung als Zusammenarbeit von Entwicklungsländern, von der beide Seiten profitieren, gesehen. Der Fokus liegt dabei eher auf Handel und Direktinvestitionen als auf klassischen Hilfsprojekten. Seit dem Jahr 2000 verfolgt China nun die „going global“-Strategie, in welcher insbesondere chinesische Unternehmen zu Direktinvestitionen außerhalb des Landes aufgerufen werden. Seither gibt es einen rasch fortschreitenden Ausbau der Beziehungen zu Afrika. Das Volumen des Güteraustausches hat sich daraufhin innerhalb von 15 Jahren von knapp zehn Milliarden auf über 200 Milliarden US-Dollar mehr als verzwanzigfacht.

Chinas Prinzipien

Dabei konzentriert sich die Entwicklungsfinanzierung Chinas insbesondere auf den Infrastrukturbereich, der von „traditionellen“ Geldgebern zugunsten der sozialen Infrastruktur (Bildungs- und Gesundheitssystem, soziale Fürsorge etc.) hintangestellt wurde.

Die Geldvergabe erfolgt nach gewissen Prinzipien: Der gegenseitige Nutzen etwa wird von China besonders hervorgehoben, ebenso wie das Nicht-Einmischen in die innenpolitischen Angelegenheiten des jeweils anderen Landes. Bedingungen und Auflagen werden nicht gesetzt – worin ein Unterschied zu den meisten Fördermodellen anderer globaler Akteure liegt. Bei Entwicklungsleistungen kommt es regelmäßig zu einer Einbettung in die politischen Entscheidungsprozesse und Wirtschaftsstrukturen Chinas, sprich die Anwendung von 5-Jahres-Plänen, der Einsatz von staatseigenen Banken und chinesischen Unternehmen. Betont wird, dass es sich um staatliche Beziehungen auf Augenhöhe handelt – hierfür gibt es etwa das Forum on China-Afrika Cooperation (FOCAC) zur Verfestigung der diplomatischen Beziehungen. Bewusst möchte man ein Gegenmodell zum westlichen Entwicklungsansatz der EU und USA liefern und sich als „neuen Partner“ positionieren, meint Tröster.

Direktinvestitionen und Kreditikvergaben durch chinesische Unternehmen und Banken

Genaue Daten über die Höhe der chinesischen Direktinvestitionen in Afrika existieren nicht: Offizielle Schätzungen aus 2019 berichten von 43 Milliarden US-Dollar, während andere Datenbanken von rund 88 Milliarden US-Dollar ausgehen. Generell ist die Datenlage in diesem Bereich sehr unsicher – das System ist etwa aufgrund des gezielten Einsatzes von Steuerschlupflöchern sehr intransparent. Fest steht laut Expert:innen jedoch, dass sich der Wert der Direktinvestitionen seit 2004 zumindest verhundertfacht hat.

Zwei Drittel dieser Investitionen gehen in den Rohstoffsektor – vor allem Erdöl und mineralische Rohstoffe sind von China nachgefragt. Hauptempfänger sind große, rohstoffreiche Länder wie Nigeria, Südafrika und Zambia. Bis 2016 ist die Kreditvergabe stark angestiegen. Hier gibt es ein Land, welches auffallend dominiert, nämlich Angola. Das Besondere am chinesischen Modell ist, dass diese Kredite, die den afrikanischen Ländern über die zwei staatseigenen „Politik“-Banken Chinas gewährt werden, zu einem großen Teil direkt an chinesische Baufirmen für den Bau von Infrastrukturprojekten (vor allem im Bereich Transport und Energie) ausgezahlt werden. Diese Resource-for-infrastructure-Kredite (RFI) werden dann mit der Rückzahlung bzw. Deckung mit Rohstoffen oder über Lizenzvergaben für chinesische Bergbau- und Erdölfirmen zum selbstständigen Rohstoffabbau beglichen. Für den Subsahara-Raum bedeutet dies einen steigenden Rohstoffabbau, zahlreiche chinesische Industriezonen direkt in Afrika mit über 10 000 chinesischen Unternehmen, die hier in mehreren überwiegend privaten Sektoren aktiv sind sowie bis zu 250 000 chinesische Arbeitskräfte, die derzeit auf dem afrikanischen Kontinent beschäftigt sind und sehr isoliert ohne Kontakt zur lokalen Bevölkerung auf den Baustellen arbeiten.

Chancen und Risiken

Geldflüsse werden durch dieses Modell der RFI-Kredite ganz stark an China gebunden. Dadurch, dass chinesische Firmen vor Ort sind und die Sicherung von Rohstoffen durch die Verteilung an ebendiese Unternehmen stattfindet, besitzt China hier eine sehr kontrollierende Rolle. Das System bringt aber auch Vorteile für Afrika: Zuvor war es sehr schwierig, Investitionen in die Infrastruktur voranzutreiben und auch ein Verhandeln mit den chinesischen Unternehmen, was spezifisch gebraucht wird, ist möglich. Geopolitisch stellt sich die Frage, ob für die afrikanischen Länder jetzt sozusagen eine „Era of Choice“ besteht, also ob sie sich von globalen Akteuren wie EU, USA, China und Russland nun allgemein das Beste aussuchen können.

Auf eine gewisse Weise bleiben die Investitionen jedoch riskant: Idealerweise würde China gerne einerseits einfache Arbeiten in afrikanische Länder verlagern, um sich auf ihr Ziel, Weltmarktführer in mehreren High-Tech-Branchen zu werden, konzentrieren zu können und andererseits wünschen sie sich die Etablierung des afrikanischen Kontinentes als Abnehmer chinesischer Produkte. Schließlich ist das Bevölkerungswachstum in Afrika enorm. Ob man es aber schafft, das Einkommensniveau in den kommenden 5 bis 10 Jahren signifikanter zu heben, bleibt jedoch fraglich. Auch für Afrika ist die Annahme derartiger Kredite nicht ungefährlich: China ist laut Bernhard Tröster bekannt dafür, kein Fan von Kreditnachlässen zu sein. Es bestünde durchaus die Möglichkeit einer Überschuldungsfalle, in der sich ein afrikanisches Land in eine politische „Geiselhaftung“ hin zu einem Kooperationszwang zu China auf internationaler Ebene begeben könnte. Kritisiert wurde von Anfang an die von China propagierte Nicht-Einmischungspolitik, die ja auch für fragwürdige Regime gilt, welche Korruption begünstigen. Ebenso der Missbrauch von geringen Sozial- und Umweltstandards sowie die Ausnutzung niedriger Löhne könnten ein Problem sein. Zurück bleibt laut Tröster die Frage, wie sich die EU als Partner in Afrika nun günstiger aufstellen kann, immer auch mit der Hoffnung, dass es für Afrika „gut ausgeht“.

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