Mario Matzer: Verteilungsgerechtigkeit & Inflation
„Warum wird alles teurer? Wer profitiert von der Inflation?“ – dies waren die zentralen Fragestellungen unseres letzten Vortrages, welche wir mit AK-Ökonom Mario Matzer in vorweihnachtlicher Atmosphäre ausführlich diskutierten.
Matzer, der sich auf postkeynesianische Lehrmeinungen beruft, bildete in seinem Vortrag Mitte Dezember wieder eine aus Sicht der diesjährigen WIPOL-Jahrgangsteilnehmer:innen ganz neue Seite der politischen Ökonomie ab. Während in Uni-Lehrveranstaltungen vermutlich eher selten Antonio Gramscis Idee der kulturellen Hegemonie angesprochen wird, beginnt der AK-Experte seine Vorträge gerne genau damit: „Das – als kulturelles Verhältnis zu begreifende – spezifische Herrschaftsverhältnis der entwickelten kapitalistischen Gesellschaft.“ Was für die Menschen früher die Religion war, ist für uns heute diesem Gedanken nach der Neoliberalismus im Namen des effizienten Marktes.
„Dass eine Masse von Menschen dahin gebracht wird, die reale Gegenwart kohärent und auf einheitliche Weise zu denken, ist eine ›philosophische‹ Tatsache, die viel wichtiger und ›origineller‹ ist, als wenn ein philosophisches ›Genie‹ eine neue Wahrheit entdeckt, die Erbhof kleiner Intellektuellengruppen bleibt.“ – Antonio Gramsci
Die Macht der kulturellen Hegemonie
Dabei wird die Macht der kulturellen Hegemonie unterstrichen: Bereits Marx & Engels hoben hervor, dass „die Gedanken der herrschenden Klasse“ in jeder Epoche die herrschenden Gedanken sind. So haben auch heute Menschen mit hohem ökonomischen Kapital enormen Einfluss auf unsere Welt.
„Wie viele Häuser besitzt die Multimilliardärin Ingrid Flick am Wörthersee?“ – dieses Schätzspiel sorgte unter den Zuhörer:innen für reichlich Geschmunzel, genauso wie die Frage, weswegen all diese Häuser und Grundstücke überhaupt aufgekauft wurden bzw. werden. Dennoch bleibt die hohe Kapitalakkumulation bei den reichsten 10 oder gar 1 % erschreckend. Sich dermaßen große Vermögen vorzustellen, fällt nicht leicht, deswegen hierzu eine veranschaulichende Grafik: https://vermoegen.moment.at/.
Was hinter der Inflation steckt
Auch Inflation ist als ein Machtkampf um Einkommen zu verstehen, welcher, wie Matzer meint, „nicht auf der Lohn- sondern auf der Preisebene ausgetragen wird“. Wir erleben derzeit in der Eurozone eine Inflationsdynamik, welche durch eine Kombination aus Lieferkettenproblemen infolge der Coronakrise sowie durch Einschränkungen der russischen Exporte fossiler Energieträger im Kontext des Angriffs auf die Ukraine, , entstanden ist und zusätzlich durch das europäische Merit-Order-System am Strommarkt verschlimmert wird. Hierbei handelt es sich im importierte Inflation. Diese wird laut Matzer durch eine spekulationsgetriebene und profitgetriebene Inflation ergänzt: Sowohl die Finanzmärkte (insbesondere beim Handel mit Rohstoffen) als auch große Unternehmen nutzten ihr Marktmachtpotential und tragen ihren Teil zur Teuerung bei.
David gegen Goliath?
Die derzeitige Inflation zu bekämpfen, sei nicht leicht – ist sich AK-Experte Mario Matzer sicher. Jedoch seien höhere stabile Inflationsraten für die arbeitende Bevölkerung kein Problem, solange ihre Realeinkommen nicht beeinträchtigt werden würden. Nur eine vollständige Abgeltung der Inflationsrate in den Kollektivvertragsverhandlungen könne dies garantieren. Hierfür braucht es starke Gewerkschaften, weswegen uns Matzer sogleich eine Gewerkschaftsmitgliedschaft ans Herz legt.
Der Vortrag ging fließend in eine breite Diskussion über, die nur von der Aufnahme der Essenswünsche kurz unterbrochen wurde. Direkt nach dem inhaltlichen Input fand nämlich unsere Weihnachtsfeier statt, die nach zwei Jahren Pause endlich wieder in Präsenz stattfinden konnte. Auch Alumni und Alumnae gesellten sich zu uns – so wurde es ein spannender Abend voller interessanter Gespräche. Wir freuen uns schon sehr auf den nächsten Vortrag von Mag. Mario Matzer und natürlich auch auf die vielen WIPOL-Veranstaltungen im neuen Jahr!