Sonntag, Oktober 6, 2024
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Die Kalifornische Ideologie

von Aron Bernhard (9. Jahrgang)

Eine der wohl treffendsten Blickwinkel unter denen man die gesellschaftliche Entwicklung der Menschheit betrachten kann, ist unser technologischer Fortschritt. Jeder große Meilenstein auf diesem Weg brachte eine fundamentale Änderung in unser Leben und Denken mit sich. Und in dieser langen Reihe an technologischen Neuerungen ist für uns heute kaum eine prägender als das Aufkommen von Computern und Netzwerken. Durch sie haben wir eine ungeahnte Macht erhalten: die Macht Informationen zu sammeln und zu verarbeiten. Und wie es sein muss, kommt mit jedem Machtgewinn neues Selbstvertrauen auf, welches doch allzu leicht zu Hochmut werden kann.

Dieser Hochmut bestand darin, zu glauben die Welt und vor allem menschliches Handeln sei berechenbar. Diese Fähigkeit Risiken und Resultate, vor allem in der Wirtschaft, einzuschätzen, und Individuen über sofortiges Feedback zu einer Art selbstregulierendem Kollektiv zu verbinden, sollte politische Hierarchien obsolet machen. Die Brutkammer dieser Idee war das Silicon Valley der 80er und frühen 90er Jahre, weshalb sie auch als „Californian Ideology“ bekannt ist. Sie war ein bizarres Amalgam aus Libertarismus mit all seinem Unternehmergeist und der Hippie Konterkultur mit ihrem Augenmerk auf soziale Freiheit. Es war die Vision eines Techno-Utopias, indem mit Hilfe der Computer ein System geschaffen wurde, das sich selbst in perfekter Balance hält.

Unter Bill Clintons Präsidentschaft entfalteten sich die Prinzipien dieser „Californian Ideology“, wenn auch nicht notwendigerweise unter diesem Namen, im Vollen. Durch Abbau von Regulationen, Steuersenkungen und der Hilfe von Computertechnologien erfuhr Amerikas Wirtschaft in diesen Jahren immenses Wachstum. Was anfangs wie eine „New Economy“ wirkte endete in den frühen 2000er damit, was wir heute mit der Weitsicht der Geschichte als „Dot-Com-Blase“ bezeichnen, welche indirekt zur Weltwirtschaftskrise 2008 führte.

Was lief also falsch? Ein Ansatz wäre das die Annahme, das ein System, das aus Menschen besteht (die Wirtschaft), immer einer Art Equilibrium zustrebt, und somit genau kalkulierbar ist, schlicht falsch ist. Dies kann man als Reduktionismus betrachten, der das Individuum zu einer Art Maschine degradiert. In der Tat gibt es selbst unter Tieren und Pflanzen, ja sogar wenn man Atome betrachtet, Unregelmäßigkeiten, Zufälle, „Raum für Interpretation“. All das führt zu einem Paradoxon, dass ein hoch deterministisches Weltbild, zu einem Aufruf für komplette Freiheit und Deregulation geworden ist. Auf der anderen Seite steht das alte Ideal der Aufklärung, dass der Mensch eben nicht determiniert ist und es seine Einzigartigkeit ist, sich diesen „Raum für Interpretation“ zur Bühne seines kreativen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wirkens zu machen – und das durch die Grenzen die wir uns selbst setzen.

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