Donnerstag, April 18, 2024
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Nasser, Nasserismus und arabischer Sozialismus

von Jürgen Ozwirk (9. Jahrgang)

Gamal Abdel Nasser war Präsident Ägyptens und regierte von 1953 bis zu seinem Tod (1970). Er war maßgeblich am Putsch der „Freien Offiziere“ 1952 beteiligt und beendete damit die bisdahin vorherrschende Monarchie in Ägypten.

Der Nasserismus

Der Nasserismus selbst muss als Ideologie gesehen werden, die sich aus Teilen anderer Ideologien zusammensetzt. So werden marxistische Komponenten aufgegriffen, wie der Kampf gegen den Feudalismus, gegen ausbeutendes Kapital und gegen Großgrundbesitzer. Das alte Regime muss bekämpft werden, da es das Volk ausbeutete. Dies wollte Nasser vorerst ohne Demokratie aber mit zwei Revolutionen erreichen.

Seine Ziele für eine Revolution waren (Büttner 1970, S. 87- 90):

  • Abschaffung des Feudalismus
  • Abschaffung von Monopolen
  • Abschaffung des Imperialismus
  • Soziale Gerechtigkeit
  • ein starkes Heer
  • Etablierung einer stabilen Demokratie
Arabischer Sozialismus

Nasser erklärte in seiner Charter der nationalen Aktion seine Politik für den weiteren Weg Ägyptens. Dieser Weg sollte ein sozialistischer sein, ein arabisch sozialistischer. Der Arabische Sozialismus war, neben seinem politisch linken Hintergrund, auch historisch bedingt schon ein Feind des Kapitalismus. Unterstrichen wird dies natürlich noch durch Nassers Ziel den ausländischen Einfluss abzuschütteln, den Imperialismus zu bekämpfen und soziale Gerechtigkeit zu schaffen. Doch unterscheidet sich der Arabische Sozialismus sehr stark vom Konzept des Marxismus-Leninismus, welcher in anderen sozialistischen Staaten vorherrschte (Büttner 1970, S. 105-107); (Hurni 1976-1977, S. 294-295); (Pawelka 1985, S. 133-137).

Erstens, der Arabische Sozialismus greift nicht die Idee des Klassenkampfes auf. Nasser propagiert einen Zusammenschluss aller Kräfte des Landes. Zwar wurden die Träger des Kapitalismus, wie Großgrundbesitzer, Banken usw. vom Staat zerschlagen. Doch nahm man Beispielsweise den Großgrundbesitzern nicht ihre ganze Existenzgrundlage. Weiters war es durchaus noch immer möglich sich im Handel oder im Bausektor zu entfalten und als Privatperson Wohlstand zu erlangen (Hurni 1976-1977, S. 294); (Pawelka 1985, S. 133-136).

Zweitens ist der Arabische Sozialismus untrennbar mit der Religion verbunden. Anders als im klassischen Kommunismus, wo jedwede Verbindung zu Religion beendet wurde. Der Islam ist ein wesentlicher Teil des Arabischen Sozialismus, da man Verbindungen zwischen ihm und der Religion sah. Ebenfalls dürfte es wichtig gewesen sein, die Religion einzubinden, da damit die Akzeptanz für die neue Ideologie von vornherein bei der Bevölkerung viel größer war. Anknüpfungspunkte fanden sich schon in der Basis. Beispielweise sei die islamische Gemeinschaft von Anfang an eine Gesellschaft, die auf Solidarität, Gemeinschaft und soziales Miteinander aufbaute. Werte, die ebenfalls im Sozialismus fest verankert sind (Büttner 1970, S. 105-112); (Pawelka 1985, S. 135-137); (Hurni 1976-1977, S. 294)!

Drittens, der Arabische Sozialismus propagiert nicht die Diktatur des Proletariats, sondern fordert eine demokratische Gemeinschaft aller Volkskräfte. Gemeint sind hier Bauern, Arbeiter, die Intelligenz sowie die Besitzer des nationalen Kapitals. So wollte auch Nasser grundsätzlich, früher oder später, offene demokratische Strukturen zulassen (Pawelka 1985, S. 136).

Viertens, war es nicht das Ziel des Arabischen Sozialismus allen Grund und Boden zu verstaatlichen. Privatbesitz blieb vorhanden und wurde nicht eingezogen. Obwohl natürlich nahezu alle Großindustrien vom Staat eingezogen wurden (Büttner 1970, S. 110-112); (Hurni 1976-1977, S. 294).

Fünftens, sollte der Arabische Sozialismus, im Gegensatz zum bekannten Sozialismus, nicht durch die Opfer der Bevölkerung seine Entwicklung vorantreiben, sondern mit humanen Mitteln. Wachstum und Wohlfahrt sollten beide im gleichen Maße steigen und mit ihnen verbunden sollten die sozialistischen Errungenschaften, wie eine Alters- und Krankenversicherung, der Wohlfahrtsstaat, ein allgemeines Gesundheitswesen und soziale Sicherheit etabliert werden (Pawelka 1985, S. 135-137).

Literatur

Büttner, F. (1970): Nassers Ägypten zwischen islamischer Tradition und sozialistischer Zukunft. In: Opitz, P. (Hrsg.): Profile und Programme der Dritten Welt, München.

Büttner, F. (1994): Ägypten. In: Steinbach, U. Hoffmeister, R. und Schönborn, M. (Hrsg.): Politisches Lexikon Nahost/Nordafrika. 3. Aufl. München.

Hurni, F. (1976-1977): Von Nasser zu Sadat: Sozialismus, Nationalismus und Pragmatismus in der arabischen Welt. In: Schweizer Monatshefte: Zeitschrift für Politik, Wirtschaft, Kultur 1976-1977, 56, 293-306. 4.

Pawelka, P. (1985): Herrschaft und Entwicklung im Nahen Osten: Ägypten: Heidelberg: C. F. Müller juristischer Verlag GmbH, Heidelberg.

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